Bereits im Mittelalter hatten Handwerker und Gewerbetreibende das Bedürfnis, ihre lokalen Märkte vor fremden Einflüssen zu schützen, um Qualität, Preise und Aufträge in der eigenen Stadt zu halten. Daraus entstanden auch in Zürich verschiedenen Handwerksinnungen. Bäcker, Metzger, Schuster, Küfer, Weinbauern, Schmiede und andere mehr schlossen sich zu Zünften zusammen, welche über das Recht, das Handwerk in einer Stadt auszuüben, entscheiden konnten. Die Zugehörigkeit zur Zunft wurde und wird an die männlichen Nachfahren weitergegeben, sodass bis heute teilweise dieselben Familien Einsitz nehmen, wie zu Gründerzeiten.
Wiewohl in den Zünften die Handwerker zwischenzeitlich klar in der Minderheit sind, wird die Tradition der Zünfte In der Stadt Zürich bis heute gepflegt. Durch meinen Schwiegervater durfte ich ein Mitglied der Schmiedezunft werden. Ich bin Zünfter aus Überzeugung und mit Leidenschaft und bereits jetzt, da ich diese Zeilen schreibe, kommt bei mir Vorfreude auf das nächste Sechseläuten auf. In der Zunft habe ich auch ein grosses Stück politisches Handwerk gelernt.
Herkunft gibt Orientierung in Zeiten der Veränderung
Als Sohn eines deutschen Kriegs- und DDR-Flüchtlings bin ich vielleicht besonders sensibilisiert für Fragen der gesellschaftlichen Verankerung. Dem gesellschaftlichen Zusammenhalt meiner alten Heimat entzogen, war es für mich als Kind und Jugendlicher besonders wichtig, in der Schweiz eine neue soziale Zugehörigkeit aufzubauen. Neben meiner Familie, der Volksschule, den Pfadfindern, dem Lehrerseminar Unterstrass, der Uni, der politischen Partei und der Feuerwehr, ist die Zunft zur Schmiden seit mittlerweile 20 Jahren ein wichtiges Netzwerk und eine wertvolle Plattform zum Austausch und zur Diskussion von Ideen, Anliegen und auch Herausforderungen. Obschon die Zunft eine elitäre Note hat, ist es keineswegs so, dass sich hier nur der Akademiker, Bankdirektoren und hohe Tiere aus der Verwaltung treffen. Auch Handwerker, einfache Angestellte, Gewerbler und Kleinunternehmer sind dabei. Die politische Gesinnung ist klar bürgerlich. Sie lässt aber eine grosse Breite von liberalen bis konservativen und von sozialdemokratischen bis zu streng marktwirtschaftlichen Meinungen zu. Auch altersmässig findet ein guter Austausch statt. Die Alten werden geehrt und haben ihren Platz, während die Jüngeren «den Karren ziehen». Im Gegensatz zu vielen Vereinen oder Organisationen gibt es kein Nachwuchsproblem: Schon früh werden die Söhne der Zünfter als Gesellen motiviert und es findet ein vorbildlicher Austausch zwischen Jugendlichen, Heranwachsenden und Erwachsenen statt. Auch mein Sohn ist mit seinen 12 Jahren bereits begeistert vom Schmiedehandwerk.
Sechseläuten und Schmiedehandwerk
Der Zug der Zünfte am Sechseläuten ist natürlich der Höhepunkt des Zunftjahres. Es gibt auch sonst regelmässige Treffen, häufig mit einem Kurzreferat und einem Essen sowie – je nach Zunft – einen Zunftball oder das Pflegermahl im November. Persönlich ist mir der Austausch mit Kindern und Jugendlichen ein besonderes Anliegen sowie die Pflege der Traditionen. Ich finde es extrem wertvoll, dass Werte wie Kameradschaft, Fürsorge und Respekt weitergegeben werden, denn sie sind der Kitt, der unsere Gesellschaft zusammenhält. Besonders engagiere ich mich für die Pflege des Schmiedehandwerks.
Jeden zweiten Donnerstagabend stehe ich selber am heissen Feuer und forme glühendes Eisen zu schönen und brauchbaren Dingen. Seit vielen Jahren darf die Schmiden-Zunft eine alte Industrie-Schmitte zur Pflege ihres Handwerks nutzen. Und dieses Angebot wird rege genutzt: An über 100 Anlässen im Jahr wird der Hammer geschwungen, mit Zunft-Kollegen, aber auch mit der Vorsteherschaft anderer Zünfte oder mit den Ehefrauen. Als Ausbildungsmeister ist mir wichtig, dass keine Unfälle passieren. Zusammen mit Profi-Schmieden organisiere ich immer wieder Handwerkskurse, um unsere Fertigkeiten weiter zu verbessern. Ein besonders schöner Anlass ist das Maitli-Buebe-Schmieden in der Vorweihnachtszeit, wo die letzten Geschenke aus Eisen geformt werden können.
Ein Kantonsrat ohne Verbindungen steht auf verlorenem Posten
Vermutlich fragen Sie sich, warum ich im Zusammenhang mit meiner Kandidatur für den Kantonsrat ausgerechnet über meine Zunft schreibe. – In meinen Augen gibt es einen sehr direkten Zusammenhang: Wer im Kantonsrat etwas bewegen will, muss sich vernetzen. Als gesetzgebende Behörde bestimmt der Kantonsrat über die Ausgestaltung von Bundesgesetzen. Auch entwirft er kantonale Gesetze und Vorschriften und übergibt die entsprechenden Botschaften der Kantonsregierung zur Ausführung. Dabei muss auch hier über jede neue Bestimmung, Abänderung und Ergänzung abgestimmt werden. Ein Kantonsrat kann noch so brillant und dossier-sicher sein, um eine Vorlage in seinem Sinn einzubringen und auszugestalten, benötigt er die Zustimmung seiner Kolleginnen und Kollegen. Auf allen Stufen gilt es, Mehrheiten zu finden: Zunächst in der vorberatenden Kommission, dann in der eigenen Partei und dann, am wichtigsten, auch in den anderen Parteien. Als Zünfter bringe ich bereits ein gutes Netzwerk mit. Noch wichtiger ist aber, dass ich die Fähigkeit besitze, den Dialog mit Gleich- und Andersdenkenden, Meinungsmachern und Mitläufern zu entwickeln, zu gestalten und zu pflegen. Wer das nicht versteht, hat nicht verstanden, wie in der Schweiz Politik gemacht wird.
Ich bin mir durchaus bewusst, dass es auch Neider geben wird, wenn ich mich als Zünfter bekenne. Andererseits bin ich überzeugt, dass mich auch meine Zunft zu jenem macht, der ich bin: Eine integre, engagierte, kompetente Person und ein Politiker, der sich mit Freude in den Dienst der Gesellschaft stellen will, der er sich aus ganzem Herzen verpflichtet fühlt.